Tacitus, Germania |
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Die römische Geschichtsschreibung ist ja mit ein Grund, weshalb die Germanen und Kelten so lange unterschätzt wurden, auch in der Forschung.
Im de bello gallico gibt es aber einige sehr nette Passagen, wo's wirklich abgeht. Gemetzel und alles
. Und Caesar liest sich doch noch ziemlich leicht eigentlich...
Tacitus ist da schon schwieriger.
Von Ovid fand ich die Metamorphosen eigentlich ganz gut. Mit der Ars Amatoria hab ich mich nie genauer auseinandergesetzt, nur einige wenige Auszüge. Vom Inhalt her sind mir die Metamorphosen lieber
...
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31.08.2006 16:16 |
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Die Ars Amatoria haben wir nach dem Latinum auch noch etwas angeschnitten, ich fands recht lustig. Vor allem, dass der gute Ovid getrennte Bücher für Männer und Frauen geschrieben hat im Endeffekt aber Ähnliches drinstand....
Na ja, hab zwar mein kleines Latinum aber mein Interesse für Latein hat gegen Ende der drei Jahre nachgelassen bzw bin ich mit den Übersetzungen immer weniger klargekommen.
Mich interessieren eher die lebendigen Sprachen sowas wie Englisch und Französisch eben.
Asiatische Sprachen sollen noch kommen. Chinesisch oder Japanisch, vielleicht auch Thailändisch, da ich das mit meiner Tante üben könnte und ich allgemein finde, dass diese Sprache schön klingt.
Russisch wäre auch eine Überlegung Wert aber nach dem, was ich bisher gehört habe ist das recht schwer zu lernen und man muss auf jeden Fall dabeibleiben.
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01.09.2006 11:56 |
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skadi_njoerd
Geheime Meisterin
Dabei seit: 21.07.2005
Themenstarter
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Zitat: |
Original von inner_conflict
Die römische Geschichtsschreibung ist ja mit ein Grund, weshalb die Germanen und Kelten so lange unterschätzt wurden, auch in der Forschung. |
Ja, lange Zeit zu felltragenden und sonst nackten Barbaren degradiert, gleichzeitig aber wieder wegen Größe, Haarfarbe und Kampfesmut bewundert. Typisch römisch.
Zitat: |
Im de bello gallico gibt es aber einige sehr nette Passagen, wo's wirklich abgeht. Gemetzel und alles
. Und Caesar liest sich doch noch ziemlich leicht eigentlich...
Tacitus ist da schon schwieriger.
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Hm... meinst du? Also, ich kenne ja jetzt nur die "Germania" von Tacitus, aber die war wirklich recht einfach zu lesen, während "De Bello Gallico" irgendwie stellenweise etwas langatmig rüberkommt. Aber gut, vielleicht auch nur Geschmackssache. Die Metzelszenen muss ich dann noch raussuchen.
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Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von skadi_njoerd: 03.09.2006 15:00.
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03.09.2006 14:59 |
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Ich müsste grad selbst nachschauen, wo die interessanten Passagen bei Cäsar sind, aber meine Unterlagen sind zur Zeit in Umzugskartons...
Cäsar geht einfach schön nach der Schulgrammatik (oder umgekehrt), aber es ist schon langatmig. Das Ganze würd ich auch nicht lesen wollen, diese Selbstdarstellung ist auf Dauer unerträglich.
Mh ich kuck mal wegen Tacitus; ich werd grad das doofe Gefühl nicht los, dass ich den grad mit Livius verwechsle.
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03.09.2006 15:13 |
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Zitat: |
Ja, lange Zeit zu felltragenden und sonst nackten Barbaren degradiert, gleichzeitig aber wieder wegen Größe, Haarfarbe und Kampfesmut bewundert. |
Um diese Eigenschaften geht es Tacitus z.B. doch eben nicht bzw. nicht hauptsächlich, z.B. Tac.Germ. 19 "...plusque ibi boni mores valent quam alibi bonae leges", "Gute Sitten haben dort (=bei den Germanen) mehr Einfluss als andernorts (=Rom!) gute Gesetze". Tacitus betont immer wieder die moralische Unverdorbenheit der Germanen, stilisiert sie zu edlen Wilden, die Intention ist, wenn man die Germania aufmerksam liest, eindeutig, nämlich den durch die Zivilisation verdorbenen Römern ein moralisches Spiegelbild vorzuhalten. Er hatte sich, u.a. wohl durch umfangreiche Lektüre der commentarii Caesars, ein eigenes Bild von den Germanenstämmen gemacht, ohne jemals in Germanien gewesen zu sein. Das ist natürlich propagandistisch und hat wenig mit unserer Auffassung von "ehrlicher" Geschichtsschreibung zu tun.
Die Germania ist vom Sprachniveau wohl etwas oberhalb von Caesars Darstellung angesiedelt, aber auch deutlich unter den sonstigen Schriften Tacitus', da sind teilweise doch ziemlich harte Nüsse dabei, die man heutigen Schülern wohl nicht mehr vorsetzen kann, ohne zu verzweifeln. Im Allgemeinen zählt man Tacitus neben Iuvenal, Persius, Properz eher zu den schwierigsten Autoren der lateinischen Literatur.
Zitat: |
Cäsar geht einfach schön nach der Schulgrammatik (oder umgekehrt), aber es ist schon langatmig. Das Ganze würd ich auch nicht lesen wollen |
Na dann würde ich ihn doch mal ganz lesen, wenn ich du wäre, ich denke dann müsstest du dein Schulgrammatikurteil schnell revidieren (z.B. im Bezug auf die indirekte Rede)...
Zitat: |
Mich interessieren eher die lebendigen Sprachen |
Vae et tace! Lingua Latina minime mortua, multi sunt, quibus etiam nunc licet latine loqui, sed sermonem vestrum vitabunt, quia non intellegitis. Et disciplina scholarum mortem adferet linguae pulcherrimae, nisi discipuli diligenter(!) linguam, sed solum historiam, bella, auctores et cetera - quamvis magni momenti - in principio non necessaria ad facultatem dicendi et intellegendi discunt. Aut quis vestrum potuerit legere quemquam librum latine scriptum sine auxilio? Aut quis respondere mihi? O iniquitas temporum!
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03.09.2006 16:44 |
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Indirekte Rede im Latein ist sone Sache, die ich nie ganz kapiert habe. Kann mir also unmöglich aufgefallen sein
...
Mist, ich hätt eigentlich noch repetieren sollen in den Ferien, fällt mir ein. Das wird ein blamabler Start werden.... -.-
Von Tacitus musst ich mal nen Auszug übersetzen über Seneca, wenn ich mich recht erinnere. Müsste mal nachsehen, mein Gedächtnis taugt ja nix...
Iuvenal würd ich gern mal machen, da ich über einige ganz amüsante Zitate gestolpert bin. Aber bei meinen Lateinkenntnissen dürfte das wohl schnell frustrierend werden....
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03.09.2006 17:13 |
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skadi_njoerd
Geheime Meisterin
Dabei seit: 21.07.2005
Themenstarter
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Zitat: |
Original von [robson]
Um diese Eigenschaften geht es Tacitus z.B. doch eben nicht bzw. nicht hauptsächlich, ... Tacitus betont immer wieder die moralische Unverdorbenheit der Germanen, stilisiert sie zu edlen Wilden, die Intention ist, wenn man die Germania aufmerksam liest, eindeutig, nämlich den durch die Zivilisation verdorbenen Römern ein moralisches Spiegelbild vorzuhalten. |
Und damit hast du natürlich auch vollkommen Recht. Dass Tacitus dem dekadenten römischen Volk mit diesem Werk Kritik vorwerfen wollte, wusste ich, und auch wenn Tacitus ständig den Edelmut, die Kraft, eben die Germanen in ihrem ganzen Saft preist, so rückt er sie dennoch, wie du ja auch anmerkst, in dieses primitive "barbarische" Bild, welches sie in meinen Augen gleichzeitig wieder degradiert. Ich habe mich sehr über Kapitel 17, das die Kleidung betrifft, gewundert, in dem Tacitus eben behauptet, die Germanen seien prinzipiell nackt, selbst die Frauen, die so wie die Männer eine Art rechteckigen Umhang trügen, außerdem wird auch über die Ernährungsgepflogenheiten nicht die Wahrheit gesprochen, wenn man bedenkt, dass selbst damals schon Ackerbau betrieben wurde. Der Germane kannte von daher nicht nur Obst und Wildfleisch, das er durch Jagen und Sammeln erntete.
Tacitus hat eben auch nur das wiedergegeben, was ihm durch Gewährsmänner zugetragen wurde, ebenso der Unsinn bezüglich der Ostsee und dass die Germanen Bernstein nie für wert schätzten (selbst die Kimbern und Teutonen haben in frühester Zeit damit gehandelt) oder dass dort oben wahrlich das Ende der Welt läge... (und die Welt ist eine Scheibe). Nur ein Bruchteil, den ich hier wiedergebe, der eben falsch war und dazu beitragen sollte, die Germanen absichtlich in ein primitives Bild zu rücken, was aber wohl in der Natur der Römer lag und nicht an Tacitus selbst. Und dass Tacitus immer noch "typischer" Römer war, was deutlich wird, wenn er sich z. B. über den inneren Zwist der Germanenstämme erleichtert äußert, ist ja auch nicht abzustreiten.
Ich denke, es ist klar, wie ich das sagen wollte, eben dass Tacitus auch dazu beigetragen hat, dass der Römer ein teilweise furchterregendes Bild der "wilden felltragenden nackten Barbaren" vermittelt bekam, gleichzeitig aber ein Vorbild nahm an diesen "blonden" Hünen (jaja... der Germane an sich war ja sowieso meist rothaarig, wie Tacitus behauptet).
Nicht sonderlich schwer mit diesem schon damals kurzzeitigen "Bestseller".
Zitat: |
Er hatte sich, u.a. wohl durch umfangreiche Lektüre der commentarii Caesars, ein eigenes Bild von den Germanenstämmen gemacht, ohne jemals in Germanien gewesen zu sein. Das ist natürlich propagandistisch und hat wenig mit unserer Auffassung von "ehrlicher" Geschichtsschreibung zu tun. |
Und v. a. bei Plinius dem Älteren geklaut (oder netter ausgedrückt: abgeschrieben), dennoch war ehrliches Interesse vorhanden, sonst hätte er, wenn er den Römern ausschließlich einen Sittenspiegel hätte vorhalten wollen, auch nur die Vorzüge der Germanen erwähnen können. Hat er jedoch nicht, sondern sie auch mit ihren negativen Eigenschaften vorgestellt (Trunksucht, Spielsucht, Streitsucht etc.). Vielmehr war da das Interesse am Leben den Germanen selber, sie eben mit ihren Vor- und Nachzügen zu präsentieren, und deswegen gab es ja dann ein gesondertes Werk dazu.
@ Neuromancer
Sprachen lernen müssen ist nie toll, ging mir bei Latein so, obwohl ich Sprachen schon immer sehr schnell und einfach gelernt habe.
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Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von skadi_njoerd: 04.09.2006 04:49.
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03.09.2006 19:17 |
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Ich hba den Thread zugegebenermaßen mal etwas unbeholfen gesondert, Beschwerden bitte an mich.
Zitat: |
so rückt er sie dennoch, wie du ja auch anmerkst, in dieses primitive "barbarische" Bild, welches sie in meinen Augen gleichzeitig wieder degradiert. |
In deinen Augen, aber nicht unbedingt in den Augen eines Römers! Ich kann das am Beispiel der Kleidung auch vorführen.
Zitat: |
Ich habe mich sehr über Kapitel 17, das die Kleidung betrifft, gewundert, in dem Tacitus eben behauptet, die Germanen seien prinzipiell nackt, selbst die Frauen, die so wie die Männer eine Art rechteckigen Umhang trügen |
Im Gegenteil, er sagt doch, das alle Germanen Kleidung tragen (tegumen omnibus sagum...), richtig ist jedoch auch, dass sie offensichtlich zu anderen Gelegenheiten, d.h. am Lagerfeuer, nackt herumliegen. Ist das für einen Römer wirklich etwas besonders Schlimmes? Man bedenke, dass z.B. auch die Griechen durchaus Gelegenheiten hatten, zu denen man keine Kleidung trug.
Zu den Frauen: Auch hier wird ein Römer nicht unbedingt die Assoziation "barbarisch" hegen, das übermäßig betonte Nichtbedecken der Brust erinnert eher an eine römische oder griechische Priesterin oder auch an besonders gute Mütter (z.B. Hekabe in der Ilias, nicht zufällig der Hinweis in Kap. 18 "matrimonia"), vgl. Germ. 8 "ja die Germanen glauben sogar, den Frauen wohne etwas Heiliges und Seherisches inne".
Bei Nacktheit denkt übrigens nicht nur der moderne Mensch an Dinge wie Natürlichkeit, Offenheit, vgl. v.a. die Kunstwerke der Griechen und Römer, im Gegenteil falsche Scham wurde zumeist sogar abgelehnt und Keuschheit äußerte sich nicht in der Kleidung, sondern im Verhalten und die Keuschheit der Germanen wird ja an anderer Stelle durchaus betont.
Zitat: |
Ich denke, es ist klar, wie ich das sagen wollte, eben dass Tacitus auch dazu beigetragen hat, dass der Römer ein teilweise furchterregendes Bild der "wilden felltragenden nackten Barbaren" vermittelt bekam, gleichzeitig aber ein Vorbild nahm an diesen "blonden" Hünen (jaja... der Germane an sich war ja sowieso meist rothaarig, wie Tacitus behauptet). zwinkert Nicht sonderlich schwer mit diesem schon damals kurzzeitigen "Bestseller". |
Du zeichnest hier doch ein etwas verqueres Bild des römischen Literaturbetriebs, Tacitus schreibt, das ist an Auslassungen in den Annalen und Historien deutlich erkennbar, fast ausschließlich für römische Senatoren und macht sich auch nicht viele Gedanken über die Nachwirkung seines Werkes. Im Gegenteil, Tacitus wurde noch bis zum Ende des Mittelalters offensichtlich wenig bis gar nicht gelesen, das sieht man an der Überlieferungsgeschichte, er ist von anderen Autoren fast nicht zitiert worden, außerdem hatten wir bis Mitte des 20Jh. nur einen einzigen Tacituskodex, ein Bestseller sieht anders aus.
Zitat: |
sonst hätte er, wenn er den Römern ausschließlich einen Sittenspiegel hätte vorhalten wollen, auch nur die Vorzüge der Germanen erwähnen können. Hat er jedoch nicht, sondern sie auch mit ihren negativen Eigenschaften vorgestellt (Trunksucht, Spielsucht, Streitsucht etc.). Vielmehr war da das Interesse am Leben den Germanen selber, sie eben mit ihren Vor- und Nachzügen zu präsentieren, und deswegen gab es ja dann ein gesondertes Werk dazu. |
Dass die Germania als gesondertes Werk zu denken ist, ist bei der Kürze und der Abruptheit der Darstellung eher unwahrscheinlich. Die geläufige Meinung in der Forschung ist eher, dass es sich bei der Germania um einen Exkurs handelt, der eigentlich in ein anderes historiographisches Werk gehört, den Titel "de origine et situ Germanorum" würde Tacitus seinem Werk übrigens wohl auch nicht geben.
Ich nehme mal die "Trunksucht" als Beispiel dafür, dass Tacitus auch bei den zuerst negativ scheinenden Angewohnheiten der Germanen (vgl. die Brustgeschichte oben) fast immer fast schon krampfhaft eine positive Wendung sucht, da es ihm wohl schlichtweg nicht möglich ist, allgemeine Klischees zu übergehen. Tacitus sagt zwar, dass bei den Germanen Saufgelage an der Tagesordnung sind, wo es auch zu Mord und Totschlag kommen kann, aber er betont an derselben Stelle auch die Offenheit und Ehrlichkeit der Germanen. Und was er sagt, klingt doch durchaus positiv:
"Dieses Volk, das weder durchtrieben noch hinterlistig ist, gibt bei ausgelassener Stimmung seine bis dahin unausgesprochenen Gedanken preis, denn so liegt die Gedankenwelt aller enthüllt und offen...
Die Germanen beraten, wenn sie sich [aufgrund des Alkoholpegels] nicht verstellen können und beschließen [am nächsten Tag], wenn sie sich nicht [mehr] irren können"
Fazit: Tacitus benennt zwar auch Dinge, die auf den ersten Blick negativ scheinen, doch kleidet er auch diese positiv ein. Welche Absicht verfolgt er wohl damit?
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04.09.2006 09:45 |
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skadi_njoerd
Geheime Meisterin
Dabei seit: 21.07.2005
Themenstarter
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Zitat: |
Original von [robson]
Ich hba den Thread zugegebenermaßen mal etwas unbeholfen gesondert, Beschwerden bitte an mich. |
Mich stört es nicht. Das Thema hat ja nun doch etwas an Umfang gewonnen.
Zitat: |
Im Gegenteil, er sagt doch, das alle Germanen Kleidung tragen (tegumen omnibus sagum...), richtig ist jedoch auch, dass sie offensichtlich zu anderen Gelegenheiten, d.h. am Lagerfeuer, nackt herumliegen. |
Ja, er spricht von einer Art Umhang, im Übrigen seien sie jedoch nackt, selbst die Frauen. Und das entsprach eben nicht den Tatsachen. Ich möchte damit sagen, dass Tacitus durch seine Gewährsmänner eben nicht immer die Wahrheit übermittelt bekam, dass manchmal bewusst verfälschte Dinge behauptet wurden. Als negativen Aspekt könnte man die Verherrlichung der Germanen betrachten (die Tacitus ja beabsichtigt hatte, die aber Jahrhunderte später bei den "späteren Deutschen" u. a. zu sehr verqueren Ansichten führten).
Zitat: |
Ist das für einen Römer wirklich etwas besonders Schlimmes? Man bedenke, dass z.B. auch die Griechen durchaus Gelegenheiten hatten, zu denen man keine Kleidung trug. |
Für den Römer sicherlich nicht, aber ich bezweifle, dass die antiken Leser der "Germania" deswegen mehr als nur ein "barbarisches" Bild der Germanen vermittelt bekamen, selbst wenn die Nacktheit bei Römern und Griechen nicht prinzipiell etwas Schlimmes darstellte. Vgl. auch Kapitel 20, wo Tacitus behauptet, dass die Kinder nackt und schmutzig heranwachsen (zu bewundernswerter Größe etc.). Es geht mir nicht darum, darzustellen, dass Tacitus mit der Germania die Germanen loben und die Römer tadeln wollte, sondern dass antike Schriftstücke oft falsche Tatsachen widerspiegen (welche selbstverständlich nicht immer negativ konnotiert sein müssen), teilweise beabsichtigt, teilweise durch schlichte Unkenntnis. Das war bei Caesar ebenso der Fall wie später bei Tacitus.
Zitat: |
Du zeichnest hier doch ein etwas verqueres Bild des römischen Literaturbetriebs, Tacitus schreibt, das ist an Auslassungen in den Annalen und Historien deutlich erkennbar, fast ausschließlich für römische Senatoren und macht sich auch nicht viele Gedanken über die Nachwirkung seines Werkes. |
Ich denke, darüber kann man sich streiten und das ist davon abhängig, welchen Theorien man folgt und welchen nicht. Meines Wissens nach spiegelte Tacitus ein zu damaliger Zeit brennend aktuelles Thema wider, immerhin lag man mit den "exotischen" Germanen zu seiner Zeit über 200 Jahre im Krieg. Demnach war auch die gesamte römische Bevölkerung an ihnen interessiert (Sklavenhandel, Handel mit "blonden Perücken", die bei römischen Frauen schwer angesagt waren etc.). Und dass die "Germania" bzw. Tacitus sehr geschätzt wurden, wird ja durch Marcus Claudius Tacitus deutlich, der während seiner Regierungszeit veranlasste, 150 Jahre nach Tacitus' Tod, Tacitus' gesamte Werke mehrmals im Jahr auf Staatskosten abzuschreiben. Dabei berief er sich auf seine angebliche Abstammung von Publius Cornelius Tacitus. Diesem Anlass mag man wohl verdanken, dass die "Germania" überhaupt bis heute erhalten geblieben ist.
Zitat: |
Im Gegenteil, Tacitus wurde noch bis zum Ende des Mittelalters offensichtlich wenig bis gar nicht gelesen, das sieht man an der Überlieferungsgeschichte, er ist von anderen Autoren fast nicht zitiert worden, außerdem hatten wir bis Mitte des 20Jh. nur einen einzigen Tacituskodex, ein Bestseller sieht anders aus. |
Selbstverständlich wurde er bis zu den Humanisten so gut wie gar nicht gelesen, die Abschriften, wie so viele andere, verkamen in den Klosterbibliotheken, aber das lag ja daran, dass Tacitus den herrschenden Mächten zu republikanisch war, und selbst der Kirche war er ein Dorn im Auge, da er das Christentum einen Aberglauben genannt hatte. Deswegen nicht gerade verwunderlich, dass er da mitsamt seiner Werke in der Versenkung verschwand. Die Zeit, in der die "Germania" Erfolg ernten konnte, lag allein um seine Lebzeite bis kurze Zeit darauf (siehe Marcus Tacitus). Ich würde nicht abstreiten, dass dieser Erfolg nicht unbedingt gering ausfiel; wie er sich genau gestaltete, können wir heute natürlich nicht sagen.
Zitat: |
Dass die Germania als gesondertes Werk zu denken ist, ist bei der Kürze und der Abruptheit der Darstellung eher unwahrscheinlich. Die geläufige Meinung in der Forschung ist eher, dass es sich bei der Germania um einen Exkurs handelt, der eigentlich in ein anderes historiographisches Werk gehört, den Titel "de origine et situ Germanorum" würde Tacitus seinem Werk übrigens wohl auch nicht geben. |
Auch da scheiden sich wieder die Meinungen der Gelehrten. Tacitus hat durchaus lange recherchiert, und letztenendes wurde die "Germania" eben als Sonderschrift und nicht, wie geplant, als Exkurs herausgebracht. Anfangs war sie als kurzer Ausflug in die Völkerkunde gedacht, in deren Anschluss er die Kriege gegen die Donausweben schildern wollte. Letztenendes wurde die "Germania" jedoch zum Einzelwerk. Dieses Thema fällt jedoch wohl unter "Gelehrtenansichten".
Zitat: |
Tacitus sagt zwar, dass bei den Germanen Saufgelage an der Tagesordnung sind, wo es auch zu Mord und Totschlag kommen kann, aber er betont an derselben Stelle auch die Offenheit und Ehrlichkeit der Germanen. Fazit: Tacitus benennt zwar auch Dinge, die auf den ersten Blick negativ scheinen, doch kleidet er auch diese positiv ein. Welche Absicht verfolgt er wohl damit?
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Richtig, er beleuchtet die Germanen von beiden Seiten, aber dass diese beiden Seiten nicht immer der Wahrheit entsprachen, bleibt oft unerwähnt, weshalb ja auch das verfälschte Germanenbild aufgekommen ist. Es ist mir klar, dass Tacitus gewisse Ziele verfolgte, und der Zweck heiligt die Mittel (sprich, es ist schlichtweg egal, ob die Germanen nun als raufend und trinkfest beschrieben werden, ob es wahr ist oder nicht, während man doch gleichzeitig darauf hinweisen kann, wie mutig und tugendhaft sie doch sind usw. usf.). Doch selbst Tacitus, da bin ich mir sicher, war eben "nur" Römer und sah in den Germanen immer noch einen Feind, der sein Heimatland zu bedrohen suchte. Einerseits war da diese Furcht, andererseits wahres Interesse.
Eine nette Diskussion, wobei ich denke, dass wir verschiedene Ziele verfolgen, was an sich ja nicht schlimm ist.
Letztenendes wissen wir sowieso nicht, was sich Tacitus wirklich dabei gedacht hat und wer seine Gewährsmänner wirklich waren, genauso wenig, wie wir wirklich 100 %-ig wissen, wie die Germanen waren.
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04.09.2006 18:18 |
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