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Geschrieben von xyrill am 19.10.2006 um 11:12:

 

Im Grundgesetz ist die Rede von Religionsfreiheit und freiheitlicher Ausübung ebendieser. Dazu gehört aber auch das freie Lehren.

Dieser Grundsatz widerspricht meiner Meinung der an deutschen Schulen gängigen Praxis von "christlich" oder "ethik"

Außerdem befinden wir uns im 3. Jahrtausend. Eigentlich sollten wir allmählich gedanklich davon weg kommen, das eine gewisse Art der Gottgläubigkeit unsere Wurzel darstellt.

Das eine ist die Vergangenheit, das andere die Gegenwart.

Warum muss eine Vergangenheit nur aus Prinzip halber in der Gegenwart weiter praktiziert werden, obwohl keiner mehr daran glaubt.

Das ist lediglich nur wieder ein großer Schritt zurück.



Geschrieben von Zimmerit am 19.10.2006 um 11:15:

 

Möglicherweise wäre es dann sinnvoll eben nur Ethik anzubieten, verpflichtender Religionsunterricht ist ohnehin ein Unding. Ein zusätzlich angebotener Islamunterricht im Fall freier Kapazitäten und im Sinne moderater Auslegung wäre allenfalls als Ergänzung denkbar, mehr nicht. Die Frage ist ja auch ob man anderen Religionsgemeinschaften gegebenfalls das gleiche Angebot machen würde.

Zum kulturellen Ursprung: Wenn ich mich in ein anderes Land begebe ist mir klar daß dort möglicherweise eine andere Kultur vorherrscht, und meine eigene unterrepräsentiert ist und möglicherweise nicht an erster Stelle steht. Das ist normal und überall so, und dieses Bewußtsein darf man auch von Einwanderern in Deutschland erwarten.

@Xyrill: Eine bestimmte Art der Gottgläubigkeit stellt natürlich nicht die persönlichen Wurzeln des einzelnen dar, aber die Europäische Kultur ist nunmal vom Christentum geprägt, architektonisch, musikalisch, philsosphisch, egal ob man daran glaubt.
Auch der Islam ist so gesehen eine Vergangenheit, und für den aktuell lebenden Mitteleuropäer in seinem Denken, Handeln und Fühlen mindestens ebenso irrelevant wie überkommene christliche Lehren. Insofern auch ein Schritt zurück, dieser erfolgt halt nur in anderen Stiefeln.



Geschrieben von xyrill am 19.10.2006 um 11:28:

 

Zitat:
Zum kulturellen Ursprung: Wenn ich mich in ein anderes Land begebe ist mir klar daß dort möglicherweise eine andere Kultur vorherrscht, und meine eigene unterrepräsentiert ist und möglicherweise nicht an erster Stelle steht. Das ist normal und überall so, und dieses Bewußtsein darf man auch von Einwanderern in Deutschland erwarten.



Jap, das ist die beste Voraussetzung um immer wieder neue Minderheiten und damit Konflikte zu gründen. Das können die Menschen ja weltweit auch ganz prima.

Sollten wir nicht endlich mal weg davon? Versuchen, Minderheiten mit Minderwertigkeitskomplexen und daraus resultierenden übersteuerten ideologischen Vorstellungen, durch bessere Grundbedingungen vorzubeugen?

Und zwar indem man JEDEM seine eigene Kopfwelt zugesteht.
Nicht als Massenkollektiv mit irgend einer schwammigen Kultur argumentieren, mit der sich sowiso nur 15 % vielleicht komplett identifizieren können.
Sondern als eine Ansammlung von Individuen, die aber eine einheitliche Wertevorstellung hat (und nein! Religiösität beinhaltet das nicht, denn eine Religion ist von Grund auf meistens ein produktiver Denkansatz gewesen. Bockmist machen daraus immer nur die Menschen, indem sie nämlich auf Prinzipien bestehen.)



Und wisst ihr, wenn in anderen Ländern die christliche Religion nicht toleriert wird, dann sollte das einem freiheitlich denkenem Mensch sowas von pupsegal sein. Wichtig ist was HIER passiert. Wichtig ist, was UNS wichtig ist. Und das sollten wir leben und umsetzen!

Wenn in einem anderen Land noch die Todesstrafe ausgeübt wird, dann führen wir sie doch hier auch nicht wieder ein, nur weil andere das auch machen...

MIR tut ein islamischer Unterricht oder ein budhistischer, oder ein jüdischer, nicht weh. Im Gegenteil, ich hätte das Angebot damals als Schüler genutzt. So hab ich nur Ethik, Kath. Relli und Ev. Relli jeweils ein Jahr durch gespielt.

Ich seh's als eine Erweiterung unserer Möglichkeiten und unseres Wissens an. Und das ist doch absolut erstrebenswert.



Geschrieben von Abtreter am 19.10.2006 um 11:29:

 

Zitat:
Original von xyrill
Im Grundgesetz ist die Rede von Religionsfreiheit und freiheitlicher Ausübung ebendieser. Dazu gehört aber auch das freie Lehren.

Kein Ding, wieso aber an staatlichen Schulen? Die prozentuale Nachfrage ist ein Argument, aber in Bezug auf die ursprüngliche Kultur bin ich da wohl auch etwas altbacken...
Einen derartigen Eingriff würde wohl kaum ein Staat zulassen. Warum wir? Unsere "Verpflichtung" einer Überprüfung durch das BVG erwächst meiner Meinung nach nur wieder daraus, dass wir mal die ganz Bösen waren. Aber das würde jetzt ausarten, also Ich sage nichts!

Zitat:

Außerdem befinden wir uns im 3. Jahrtausend. Eigentlich sollten wir allmählich gedanklich davon weg kommen, das eine gewisse Art der Gottgläubigkeit unsere Wurzel darstellt.

Deshalb alle Religionen lehren bzw. heranführen oder an gar keine...


Treter



Geschrieben von xyrill am 19.10.2006 um 11:31:

 

@ Treter

jap, das ist der Haken und in dem Sinne auch mein Argument: eigentlich sollte Religion komplett aus den Schulen verschwinden, bzw. eine Allgemeinübergreifende Wissensvermittlung stattfinden, schrieb ich ja auch ganz zu Anfang.

Solange aber christliche Religion nicht aus dem Lehrplan raus fliegt, bin ich FÜR islamischen Unterricht. lächelt



Und warum wir?

Weil wir es für richtig halten.
Der Blick über irgendwelche Grenzen, wie das andere machen, wirft uns nur immer wieder zurück.

Und irgendwelche "Verpflichtungen" aus dem 3. Reich sind mir da sowas von egal *g* Das Jetzt zählt, nicht das gestern.



Geschrieben von hrabnarwen am 19.10.2006 um 11:33:

 

ich denk auch, dass man ruhig Islamunterricht in staatlichen Schulen anbieten sollte
es ist einfach Bedarf da

am Liebsten wär mir jedoch auch ein Ethik-Fach in dem über alle Religionen gesprochen wird...



Geschrieben von Zimmerit am 19.10.2006 um 11:55:

 

Zitat:
Und zwar indem man JEDEM seine eigene Kopfwelt zugesteht.
Nicht als Massenkollektiv mit irgend einer schwammigen Kultur argumentieren, mit der sich sowiso nur 15 % vielleicht komplett identifizieren können.
Sondern als eine Ansammlung von Individuen, die aber eine einheitliche Wertevorstellung hat (und nein! Religiösität beinhaltet das nicht, denn eine Religion ist von Grund auf meistens ein produktiver Denkansatz gewesen. Bockmist machen daraus immer nur die Menschen, indem sie nämlich auf Prinzipien bestehen.)

Kein Ding, natürlich hat jeder Anspruch auf seine eigene Kopfwelt. Er hat aber keinen darauf daß eben genau diese auch an staatlichen Schulen gelehrt wird. Ich bezweifle jetzt einfach mal daß Islamunterricht übermäßig bzw. sehr viel mehr dazu beitragen würde eine Gesellschaft von Individuen mit einheitlichen Werten zu schaffen.

Zitat:
Deshalb alle Religionen lehren bzw. heranführen oder an gar keine...

Das wäre ideal, wie gesagt. Solange man aber eben nicht ALLE wählen kann sondern nur Christentum und Islam halte ich es für problematisch. Wenn der Islam gelehrt werden darf müßte das eben auch automatisch für alle anderen Religionsgemeinschaften gelten, das wird aber eben vermutlich wiederum nicht umgesetzt werden.
Nur Islamunterricht als Alternative zum ebenfalls nicht idealen christl. Religionsunterricht, das hat einfach so einen ganz unguten "gutmenschlichen" Beigeschmack, vielleicht ist das mein privates Problem aber ich kann mir nicht vorstellen daß das in der Umsetzung funktionieren würde. Wie gesagt, verpflichtender christlicher Unterricht an Schulen ist auch kritikwürdig, aber diesen Mißstand bloß zu erweitern bringt denke ich nicht unbedingt Verbesserung. Ich bezweifle, pessimistisch wie ich bin, auch daß so ein modernisierter "multi-kultureller" Religionsunterricht, wenn er sich denn wirklich durchsetzen ließe, bei der islamischen Zielgruppe durchgehend angenommen werden würde, aber das ist wieder ein anderes Thema..



Geschrieben von [robson] am 19.10.2006 um 14:50:

 

Zitat:
Und zwar indem man JEDEM seine eigene Kopfwelt zugesteht.
Nicht als Massenkollektiv mit irgend einer schwammigen Kultur argumentieren, mit der sich sowiso nur 15 % vielleicht komplett identifizieren können.
Sondern als eine Ansammlung von Individuen, die aber eine einheitliche Wertevorstellung hat


Genau deshalb braucht unsere Gesellschaft Fächer, in denen eben diese Gesellschaft nicht als bloßes Nebeneinander von völlig verschiedenen Individuen (denn das ist sie nicht!) dargestellt wird, als eine Ansammlung von Beliebigkeit und Gleichgültigkeit, sondern als eine Gesellschaft, der Fragen z.B. der Gerechtigkeit, des Umgangs miteinander, mit der Natur, dem Tod, der eigenen Weltanschauung und der anderer immer noch fundamental wichtig sind und mitnichten "von gestern".

Was mir an der bisherigen Diskussion auffällt, ist, dass Religionsunterricht hier immer als Festlegung auf Inhalte verstanden wird, im schlimmsten Fall sogar als Doktrinierung.
Mein Eindruck als angehender Gymnasiallehrer, der in der letzten Zeit - aus purem Interesse - auch den ein oder anderen Religionsunterricht von Kollegen besucht hat, ist ein völlig anderer: in den unteren Klassen wird viel Wert auf Motivation der Schüler, auf Sozialformen, auf Spiele, Lieder usw. gelegt, da ist nicht viel mit religiöser Doktrinierung und wenn über fundamentale Fragen gesprochen wird, dann geschieht das an konkreten Beispielen und die religiöse Überlieferung spielt am ehesten eine Rolle als Vergleichsobjekt, keineswegs als Verhaltensfolie.
In den höheren Klassen hingegen wird durchaus großer Wert darauf gelegt, dass nicht nur das spezifische Identifikationsangebot der "unterrichteten Religion" zu Wort kommt, sondern eben auch das anderer Religionen bzw. philosophischer Strömungen, sogar Religionskritik wird eifrig praktiziert.
Zusammenfassend: Mein Eindruck ist, dass hier jetzt schon moderner Religionsunterricht praktiziert wird, der ebenso unter dem Label "Werteunterricht" bzw. "Weltanschaungsunterricht" laufen könnte und ich bin davon überzeugt, dass ein staatlich kontrollierter Islamunterricht ähnlich aussehen könnte und muss, d.h. aber wiederum dass eine weitere Aufspaltung des Unterrichts in Religionsgemeinschaften eigentlich unnötig ist.
Mir würde ein vernünftiger "Weltanschauungsunterricht", der die Kernfragen der menschlichen Existenz und die möglichen Antworten darauf behandelt, für alle vorschweben, der dann eben, wenn gewünscht, durch Modularisierung erweitert wird, d.h. wenn die Schüler (oder ihre Eltern) wollen, lässt man sie z.B. in das Modul "Islam", "Katholische Religion", "Evangelische Religion" oder "Philosophie" gehen, das z.B. eine Stunde pro Woche unterrichtet wird und eben dieselbe oder ähnliche Fragestellungen aus gerade der Perpektive vertieft, die man sich eben aussucht. Natürlich ist das ein enormer Aufwand und auch eine Personalfrage.

Zitat:
Solange man aber eben nicht ALLE wählen kann sondern nur Christentum und Islam halte ich es für problematisch. Wenn der Islam gelehrt werden darf müßte das eben auch automatisch für alle anderen Religionsgemeinschaften gelten, das wird aber eben vermutlich wiederum nicht umgesetzt werden.


Wie du an meinen Ausführungen oben siehst, bestreite ich ernstlich, dass im modernen Religionsunterricht Religion "gelehrt" wird. Deshalb denke ich auch nicht, dass es hier um "Alles oder Nichts" geht, Schule darf sich nicht nur an die Inhalte klammern, Lernen ist immer exemplarisch zu verstehen und so muss Unterricht auch ausgerichtet sein, dass Schüler dadurch, dass sie z.B. sich intensiv(!) mit dem Islam auseinandergesetzt haben, in die Lage versetzt werden, das ebenso mit den anderen Weltreligionen oder kleineren Religionsgemeinschaften tun zu können.
Etwas anschaulicher: Wenn ich will, dass meine Schüler einen Einblick in das klassische deutsche Drama bekommen, lasse ich sie ja auch nicht den ganzen Schiller und den ganzen Goethe lesen, sondern am ehesten nehme ich Goethes "Iphigenie" und zeige ihnen daran, was die deutsche Klassik ausmacht, und richte meinen Unterricht darauf aus, dass sie hinterher in der Lage sein sollten, das auch auf die anderen Dramen auszuweiten.

Zitat:
Unterricht, der verschiedene Religionen und Glaubensrichtungen zum Inhalt hat, gruppiert und kategorisiert letzten Endes nur. Wenn sich jemand dafür ernsthaft interessiert gibts es genügend Quellen, dies nachzulesen. Für einen Teil der Allgemeinbildung sehe ich das nicht an.


Mit dieser Ansicht wirst du ziemlich allein dastehen. Die Argumentation ist fadenscheinig, gerade in diesem Forum hier zeigt sich doch immer wieder, dass Auseinandersetzung mit Religion größtenteils auf Vorurteilen basiert und sich nur wenige mit Religion wirklich intensiv befassen.
In einer Zeit, in der Prophetendarstellungen und religiöse Äußerungen schon fast Glaubenskriege auslösen und die Welt sich wieder verstärkt auch nach religiösen Gesichtspunkten auseinanderbewegt, müssen Menschen auch für religiöse Fragen verstärkt sensibilisiert werden. Man kann einfach nicht eine friedliche, freie, pluralistische und demokratische Welt wollen und im gleichen Atemzug auf den Anderen und seine Eigenarten und Interessen scheißen.



Geschrieben von Zimmerit am 19.10.2006 um 15:22:

 

Zitat:
Wie du an meinen Ausführungen oben siehst, bestreite ich ernstlich, dass im modernen Religionsunterricht Religion "gelehrt" wird. Deshalb denke ich auch nicht, dass es hier um "Alles oder Nichts" geht, Schule darf sich nicht nur an die Inhalte klammern, Lernen ist immer exemplarisch zu verstehen und so muss Unterricht auch ausgerichtet sein, dass Schüler dadurch, dass sie z.B. sich intensiv(!) mit dem Islam auseinandergesetzt haben, in die Lage versetzt werden, das ebenso mit den anderen Weltreligionen oder kleineren Religionsgemeinschaften tun zu können.

Absolut richtig. Die Frage ist aber eben ob ein Islamunterricht wie er beabsichtigt wäre so etwas zu leisten vermag (der Christliche Religionsunterricht tat dies - zumindest in der Grundschule - meiner Erfahrung nach kaum, aber das ist schon eine Weile her). Dann wäre es doch, wie Du schon sinngemäß meintest, wirklich sinnvoller ein Fach "Religion" ohne bestimmte Konfession zu unterrichten (oder eben "Weltanschauungsunterricht", wie Du es nennst), in dessen Lehrplan nach und nach auf verschiedene Religionen eingegangen wird. Ein eigener Islamunterricht wäre aber eben, wie auch ein eigener christlicher, bei diesem Modell auch überflüssig.



Geschrieben von xyrill am 19.10.2006 um 15:26:

 

Zitat:
Wie du an meinen Ausführungen oben siehst, bestreite ich ernstlich, dass im modernen Religionsunterricht Religion "gelehrt" wird.



Hmm, das kommt drauf an wo und an welcher Schule. In den 80ern an meiner Grundschule wurde SEHR ernsthaft Religion gelehrt. Da haben Schüler, die am Sonntag nicht in der Kirche waren und auf Nachfrage vom unterrichtenden (katholischen) Pfarrer eine freche Antwort gaben, von diesem eine Ohrfeige bekommen.
Okay...das war Dorf grosses Grinsen

Der Religionsunterricht meines Sohnes ist ebenfalls sehr konkret. Und das ist heute, hier und in Karlsruhe. Sie feiern das Erntedankfest, lernen Kirchenlieder und werden in den Kirchenfesten etc. unterrichtet. Alles läuft auf die Konfirmation später hinaus und auf die Integrierung in die ev. Kirche.

ICh meine damit man kann nicht den Maßstab allein am Religionsunterricht eines Gymnasiums ansetzen.


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